Ölziehen: Gut für Zähne und Zahnfleisch?

Dr. Christin Steinbach

Autorin: Dr. Christin Steinbach

Veröffentlicht am: 2. Mai 2024

Lesedauer: 5 Minuten

Anhänger der indischen Ayurveda-Heilkunde schwören darauf: Ölziehen zur Pflege von Zähnen und Zahnfleisch. Doch wie sinnvoll ist das Spülen des Mundsraums mit Pflanzenölen wirklich?

Mundgeruch, Zahnfleischbluten, Mundtrockenheit, rissige Lippen: In der indischen Volksheilkunde sollen Beschwerden wie diese mittels traditionellem Ölziehen gelindert werden. Insgesamt soll das Spülen des Mundraums mit pflanzlichen Ölen Zähne und Zahnfleisch stärken und den Körper entgiften. Wissenschaftlich belegt ist die Wirkung des seit Jahrtausenden praktizierten ayurvedischen Gandusha allerdings nicht. Erste Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass beispielsweise das Ziehen mit Sonnenblumenöl die Zahl der im Mundraum lebenden Bakterien vermindern kann. Langfristig könnte sich dies entzündungshemmend auf Zähne und Organismus auswirken. Für fundierte Aussagen sind allerdings weitere Studien notwendig. Wer die auch als „Ölkauen“ bekannte Ölkur jedoch probieren möchte, sollte vorab ein paar Dinge wissen.

Ölziehen – eine ayurvedische Tradition

Während die alternative asiatische Heilkunde Ölziehen bereits seit rund zwei Jahrtausenden kennt, wurde die Methode in Westeuropa erst in den 1990er Jahren publik. Der russische Arzt Dr. F. Karach soll das traditionelle Verfahren auf einer Tagung des Verbands der Onkologen und Bakteriologen an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR vorgestellt haben.

Beim Ölziehen wird ein Esslöffel pflanzliches Öl für etwa fünf bis 20 Minuten im Mund behalten. Ähnlich wie eine Mundspülung soll das Öl durch die Zähne geschwenkt und „gezogen“ werden. Bakterien und Schadstoffe aus der Mundschleimhaut sollen im Öl gebunden und durch das Ausspucken aus dem Körper entfernt werden. Befürworter der Methode sehen darin einen hervorragenden Weg, um Krankheitserreger im Mundraum zu bekämpfen. Einige der potenziellen Vorteile des Ölziehens wurden in kleineren Studien teilweise belegt. Für andere fehlt nach wie vor eine fundierte Datenbasis.



Mögliche positive Effekte von Ölziehen auf Mund- und Allgemeingesundheit:

• Bakterien und Toxine in der Mundhöhle könnten reduziert werden
• Mundhygiene von Zähnen und Zahnfleisch kann verbessert werden
Mundgeruch könnte vorgebeugt werden
• Entzündungen am Zahnfleisch könnte entgegengewirkt werden
• Das Risiko für eine Kariesbildung könnte sinken
• Potenzielle positive Auswirkungen auf den gesamten Körper durch die Reduzierung von Keimen und Toxinen, die von der Mundhöhle ausgehend über die Blutgefäße einwandern
• Unterstützung der Darmgesundheit durch die Beseitigung schädlicher Keime, die eine gestörte Darmflora verursachen

Die besten Öle zum Ölziehen

Hochwertige pflanzliche Öle empfehlen sich am besten für das Ölziehen. In Indien wird häufig Sesamöl verwendet. Dieses ist reich an Vitaminen und Mineralstoffen, kann tief in das Gewebe eindringen und schädliche Stoffe lösen. Zudem hat es ein angenehm nussiges Aroma. Geschmacklich eignet sich auch Kokosöl sehr gut. Die süßliche Note macht es zu einem beliebten Mundziehöl für Einsteiger. Zudem enthält Kokosöl jede Menge B-Vitamine sowie wertvolles Vitamin E. Leinöl eignet sich ebenfalls für die tägliche Ölkur. Von dem Omega-3-reichen Öl soll sogar die Gehirnfunktion profitieren. Auch auf Diabetes, Bronchitis, Asthma, Heiserkeit und Husten soll sich das pflanzliche Öl positiv auswirken. Hanföl, Sonnenblumenöl sowie speziell entwickelte Mundziehöle diverser Marken können ebenfalls bedenkenlos verwendet werden.

Wer experimentierfreudig ist, kreiert sich seine ganz eigene Ölmischung. Als Faustregel gilt: auf 100 ml Pflanzenöl kommen drei bis fünf Tropfen ätherisches Öl.

Inspirationen für individuelle Mundöle:

• Thymian hilft bei Zahnfleischentzündungen und Halserkrankungen.
• Anis und Fenchel reduzieren Atemwegsbeschwerden und beruhigen die Schleimhäute.
• Myrrhe beugt Parodontitis und Zahnfleischbluten vor.
• Wacholder verleiht angenehm frischen Atem.
• Niaouli stärkt das Zahnfleisch zusätzlich und minimiert die Keimbelastung in der Mundhöhle.
• Nelke hilft gegen Zahnschmerzen und Zahnfleischschwellungen.
• Lavendel entspannt und beruhigt Nervosität.
• Pfefferminze belebt und wirkt Wunder bei Kopfschmerzen.
• Teebaumöl desinfiziert und hilft gegen Entzündungen.

Ölziehen – so geht’s richtig

Anfänglich etwas ungewohnt, lässt sich die Praxis des Ölziehens leicht erlernen. Empfohlen wird das Ölziehen gleich morgens nach dem Aufstehen, noch vor dem Frühstück. Der Grund: Der Organismus versucht über Nacht, sich von Giftstoffen zu befreien, die sich vor allem im Mundbereich vermehrt sammeln.

Vorgehen:

  • Auf vorherige Flüssigkeitsaufnahme verzichten
  • Vorab Zunge mit speziellem Zungenschaber reinigen, um Beläge zu entfernen, die Durchblutung anzuregen und den Körper auf das Ölschlürfen vorzubereiten
  • Prothesen vor dem Ölziehen entfernen
  • Öl auswählen, 1 Esslöffel in den Mund geben und für fünf bis 20 Minuten kräftig spülen
  • Öl buchstäblich durch die Zahnzwischenräume ziehen, Kaubewegungen durchführen
  • Gurgeln oder Schlucken vermeiden
  • Überschüssiges Öl in ein Taschentuch spucken und über den Hausmüll entsorgen (Öl im Abfluss führt zu Verstopfungen. Zudem sind in den Kläranlagen große Mengen an Tensiden nötigt, um durch Öl verunreinigtes Wasser zu klären.)
  • Mund mit warmem Wasser ausspülen und Zähne wie gewohnt putzen

Für einen positiven Effekt sollte das Ölziehen regelmäßig über mehrere Wochen durchgeführt werden. Bei gesunden Zähnen und Zahnfleisch genügt einmal tägliches Ölziehen mit einer Dauer von etwa fünf Minuten. Bestehen bereits Zahnfleischentzündungen oder andere Erkrankungen des Mundraums, empfiehlt sich eine längere Ölreinigung von möglichst 15 bis 20 Minuten. Wichtig: Ein Ersatz für das Zähneputzen mit Zahnpasta ist das Ölziehen nicht!

Was sagen Zahnärzte und Zahnärztinnen zum Ölziehen?

Kurz gesagt: Ein Wundermittel ist eine Ölziehkur nicht. Zahnbürste, Zahnseide und die professionelle Zahnreinigung sind unerlässlich, um Zähne gesund und schön zu erhalten. Für Experimentierfreudige kann das Ölziehen jedoch die regelmäßige häusliche Mundhygiene sinnvoll ersetzen. Die Kosten sind gering, der Aufwand hält sich in Grenzen und die morgendliche Routine kann für ein gutes Allgemeinbefinden sorgen.

Gemäß aktueller wissenschaftlicher Datenlage könnte Ölziehen tatsächlich einen positiven Effekt auf die Zahngesundheit haben. Aber um dies sicher zu belegen, sind weitere Studien notwendig. Was sich mit Sicherheit sagen lässt: Aus zahnärztlicher Sicht hat die Ölkur keine negativen Folgen. Wer es mag, kann es also bedenkenlos ausprobieren und bei Gefallen in die tägliche Zahnpflege integrieren. Interessierte können vorab mit ihrem Zahnarzt oder ihrer Zahnärztin sprechen. Diese können das Experiment über einen gewissen Zeitraum professionell begleiten und eine mögliche positive Wirkung der ayurvedischen Praxis auf die Zähne festhalten.

Insgesamt zeigt sich, dass Ölziehen als traditionelle Methode der Mundpflege durchaus potenzielle Vorteile für die Zahngesundheit bieten kann. Die wissenschaftliche Datenlage ist zwar begrenzt und es sind weitere Studien erforderlich. Aber Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Anwendung die Reduktion von Bakterien im Mundraum unterstützen und langfristig entzündungshemmende Effekte haben könnte. Trotzdem: Das gründliche Zähneputzen mit Zahnpasta, die Anwendung von Zahnseide sowie regelmäßige Zahnarztbesuche sind und bleiben unverzichtbar, um Zähne langfristig gesund zu erhalten.

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